Als diplomierter Berufs- und Betriebspädagoge prüfe ich betriebliche Aus- und Weiterbildungsvorhaben.
Zu meinen Kunden gehören u.a. DAX notierte Unternehmen, die sich vor Fehlinvestitionen schützen wollen oder den Sinn aktueller Konzepte professionell hinterfragen wollen. So geht es unter anderen darum, nach welchen Gesichtspunkten Inhalte und Methodik ausgewählt werden (Legitimation und Menschenbild) und was ein Bildungsvorhaben leisten kann, was aber auch nicht. Eine Investition, die sich lohnt.
Praxisbeispiel 1 – Verschwendung
Der neue Geschäftsführer eines Unternehmens mit mehreren tausend Mitarbeitern hat eine, von seinem Vorgänger gestartete, Veranstaltungsreihe prüfen lassen. Er wurde das Gefühl einfach nicht los, dass es sich hier um eine gigantische Geldverschwendung handelt. Warum musste die gesamte Belegschaft teilnehmen? Auch welches Ergebnis bisher erreicht wurde, war ihm gänzlich unklar. Denn Nachfragen bei den Verantwortlichen in OE und PE ergaben, dass alle die Veranstaltung für „unbedingt“ notwendig hielten und sie „ganz toll ankam“. Die Prüfung des Sachverhaltes ergab unter anderem, dass es unnötig war, die gesamte Belegschaft aus der Wertschöpfung zu nehmen, dass nie ein überprüfbares Ziel für die Veranstaltung formuliert wurde, dass die gewählte Methodik in Verbindung mit den Inhalten ungeeignet war, irgendeinen Transfer auf den betrieblichen Alltag zu ermöglichen.
Praxisbeispiel 2 – Extrem hohe Durchfallquote
Die erfahrene Ausbildungsverantwortliche konnte sich nicht erklären, warum nur 15% ihrer Teilnehmer eine (externe) Prüfung bestehen. Es wurde viel Engagement und Fleiß in die Vorbereitung gelegt. Von allen Seiten. Die Prüfung des Sachverhaltes ergab unter anderem, dass die Prüfungsfragen nicht zur beabsichtigten Vermittlungsintensität passten. Wo es nur um blankes Wissen ging, wurde nach Transfer gefragt. Die Prüfungsfragen konnten zu großen Teilen nicht curricular legitimiert werden. Nach entsprechender Intervention bei den verantwortlichen Stellen, hat sich das Ergebnis umgekehrt.
Praxisbeispiel 3 – Social Media Star
Die Trainerin hatte viele tausend Follower auf Linkedin. Wer so bekannt ist, der muss ja gut sein. Schnell war das Kommunikations-Training gebucht. Die schlechte Resonanz der Teilnehmenden konnten sich die Verantwortlichen nicht erklären. Es waren doch tolle Tipps dabei. Die Prüfung des Sachverhaltes ergab unter anderem, dass im eigentlichen Sinne nichts gelernt wurde. Inhalte wurden nur „unterhaltsam“ vorgestellt. Vom Charakter her war es ein Seminar – kein Training.
Lernveranstaltungen haben oft einen hohen Unterhaltungswert.
Doch wurde auch wirklich etwas gelernt?
Hier spielt der Transfer eine entscheidende Rolle.
Um es vorweg zu nehmen: Lernen ist zufällig
Niemand kann vorhersagen, welche Erkenntnisse jemand aus einer Veranstaltung oder einem Erlebnis zieht, und wie er sie umsetzt. Das Phänomen heißt Konstruktivismus.
Es geht u.a. darum, an welche vorhandenen Kenntnisse und Erfahrungen jemand „Neues“ andocken kann. Gelingt diese Verknüpfung nicht, verpufft Lernen.
Daher bietet sich eine Frage zu Beginn jeder Lernveranstaltung an:
Welche Erfahrungen habt Ihr bereits mit dem Thema?
Erst wenn diese Antworten vorliegen, kann ein „Setting“ geschaffen werden, das ein „Andocken“ zulässt. Selbstverständlich funktioniert es auch, wenn durch ein gemeinsames Erlebnis oder ein Spiel ein solcher „Andock-Kontext“ geschaffen wird. Nur ohne wir´s in der Regel schwer.
Gemeinsame Erlebnisse sind besonders dann sinnvoll, wenn die Lernenden auch kulturell sehr heterogen sind. Denn dann können die Antworten auf o.a. Frage so stark voneinander abweichen, dass die spontane Kreation eines Settings fast unmöglich ist.
Keine Angst vor Taxonomien
Wer von Lernziel Taxonomien liest, verbindet das rasch mit den wenig praktikablen Arbeiten von Bloom. Doch wenn Lernen einigermaßen ökonomisch organisiert werden muss, bietet sich ein „Ordnungs-System“ an. Z.B.
Mithilfe dieser Taxonomie von @Corporate Work Institut können leicht Angebote von Weiterbildner taxiert werden oder selbst Weiterbildungen geplant werden. Ein Seminar oder Vortrag ist demnach Taxonomiestufe 1. Eine Schulung Taxonomiestufe 2.
Transfer-Lernen ist auch eine Qualitätskontrolle
Transfer ist meiner Meinung nach die beste Qualitätskontrolle für Lernen. In der Regel findet ein Transfer in einen vom Lernorganisator gewollten Kontext statt:
z.B. Wie könnt ihr Eure neuen Erkenntnisse über Motivation im Mitarbeiter-Gespräch nutzen?
Wer den Konstruktivismus beherzt und ein humanistisches Menschenbild hat, fragt zusätzlich:
Wo könntet Ihr Euch vorstellen, Eure Erkenntnisse über Motivation noch zu nutzen? Wie könnte das aussehen?
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